Meine Bewerbungsrede für die Landtagskandidatur 2022 in Siegen

Wie haben am Freitag ein ambitioniertes Wahlprogramm beschlossen. Wir   wollen Wirtschaft und Umwelt zusammenbringen und das Ziel Klimaneutralität zur Maxime unseres Handelns machen. Das ist es, warum ich heute hier stehe. Damit uns das gelingen kann, braucht es ein starkes Wählervotum. Wir haben wahrscheinlich alle eine Ahnung davon, was mit einem noch besseren Wahlergebnis bei der Bundestagswahl möglich gewesen wäre. Und für NRW gilt jedoch: Die CDU unter Hendrik Wüst wird einen professionelleren Wahlkampf führen und wie schreibt es das WB gestern, wir haben unsere grünen Ideen – Zitat – nicht mehr exklusiv, „auch andere Parteien haben inzwischen ähnliche Pläne formuliert.“

Ich glaube, dass wir grüne Ideen am besten umsetzen können und dass es Menschen braucht, die jenseits un­serer grünen Blase glaubwürdig für unsere Politik werben: Vielleicht Menschen wie mich! Menschen, die wie ich erst durch das kompromisslose Engagement der Fridays for Future-Bewegung die Dramatik der Klimakrise erkannt und begriffen haben, was für uns auf dem Spiel steht, die endlich sehen, wie viele Menschen schon jetzt weltweit von den Folgen der Klimaerhitzung betroffen sind, die jetzt erst anfangen, aus ihrer persönlichen Komfortzone herauszukommen.

Ich bin Romy Mamerow und als Mitbegründerin von Parents for Future in Bielefeld ein wichtiges Bindeglied zu einer starken außerparlamentarischen Klima-Bewe­gung. Ich bin aber auch ein Beispiel dafür, dass man parteipolitisch noch grün hinter den Ohren und erst kurz in der Partei, das Votum eines Kreis- und Bezirksverbandes bekommen kann. Danke an Bielefeld, Danke an OWL.

Dass die Landesregierung die Klimakrise nach wie vor nicht mit der gebo­tenen Dringlichkeit behandelt, zeigt sich an vielen Entscheidungen. Hautnah habe ich das bei der Schließung der Energie.AgenturNRW erlebt, die fast gänzlich ohne öffentliche Diskussion vollzogen wurde. Der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft – wenn auch das Bekenntnis zum grünen Wasserstoff fehlt – ist richtig. Gleichzeitig aber eine bewährte Institu­tion mit 30-jähriger Erfahrung abzuwickeln, ist falsch. Um dagegen vorzugehen hat das Klimabündnis Bielefeld eine Petition gestartet, die ich im Juni Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart übergeben habe. Denn wir brauchen eine klare Strategie, wie unsere Kommunen auch zukünftig bei der Umsetzung regionaler Klimaschutz­konzepte verlässlich unterstützt werden.

Neben meinem unbedingten Willen, den Klimaschutz in den Mittelpunkt unserer Politik zu stellen, bringe ich Wirtschaftskompetenz und Logistikexpertise mit. Ich arbeite bei einem IT-Unternehmen und verdiene mein Geld mit der Digitalisierung von Transportprozessen. Dazu bin ich nebenberuflich mit einer Kommunikations-Agentur selbstständig tätig. Beruflich habe ich viele Höhen, zwischenzeitlich aber auch Tiefen erlebt. Ich weiß zu welchen Entscheidungen Unternehmen gezwungen sein können, was Wirtschaftskrisen und die Auswirkungen von Corona und Kurzarbeit bedeuten. Ich weiß wie sich Arbeitslosigkeit anfühlt und kenne auch das schale Gefühl, Mitarbeitende entlassen zu müssen. Ich weiß aber auch, was unternehmerischer Mut und Innovationskraft bewirken können und bin sicher, dass es in der Politik Menschen braucht, die diese Erfahrungen selbst gemacht haben.

Das Thema Mobilitätswende wurde hier bereits mehrfach erwähnt, ich würde gerne den Fokus auf die Logistikbranche legen, ohne die die Mobilitätswende nicht gelingen kann. Sie ist die wichtigste wirtschaftliche Querschnittsbranche und hat in NRW eine große Bedeutung für die Wirtschaftsleistung und mit knapp 11 Prozent Beschäftigten für den Arbeitsmarkt. Gut 72 % des Güterverkehrs (3,2 Mrd. Tonnen) wird auf der Straße transportiert. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich das Sendungsvolumen im Onlinehandel in den kommenden fünf Jahren verdoppeln wird. Das hat weitere gravierende Auswirkungen auf den Verkehr, aber auch auf unsere Innenstädte und Ortskerne, die mit, aber auch schon vor Corona unter Druck gerieten. Für einen klimagerechten Umbau braucht es die Verlagerung auf die Schiene, innovative Antriebs- und Infrastrukturkonzepte und für die letzte Meile eine intelligente und kreative Citylogistik – gerade auch im ländlichen Raum, wo die Wege länger sind und die Versorgungslage schlechter.

Die Folgen der Klimaerhitzung zeigen, dass wir mit unserer Wirtschaftsweise die ökologischen Grenzen des Wachstums bereits überschritten haben. Denn, wie schreibt Harald Welzer, unendliches Wachstum ist auf einem endlichen Planeten ein Ding der Unmöglichkeit. Unser Wohlstand muss zusammen mit Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit gedacht werden und darf nicht länger zulasten künftiger Generationen und anderer Länder gehen. Es braucht ressourcen- und flächenreduzierende Vorgaben und perspektivisch Überlegungen, wie das rein quantitative Wachstumsparadigma sinnvoll um qualitative Kriterien ergänzt werden kann. Basis dafür ist die Stärkung einer kreislauffähigen, mehr am Gemeinwohl orientierten Wirtschaft.

Die sozial-ökologische Transformation, die Beschleunigung der Digitalisierung und die Energiewende werden Klimaneutralität zum entscheidenden Standortfaktor für die Wirtschaft und die Menschen in unserem Land machen. Wir müssen aber auf Augenhöhe den Dialog mit denjenigen suchen, denen der rasante Wandel und die zunehmende Automatisierung Angst machen, die sich in ihrer Existenz bedroht, vom Strukturwandel bereits abgehängt und sich in ihrem persönlichen Lebenswandel von uns bevormundet fühlen. Es gilt Brücken zu bauen.

Von hier an … Zukunft  – oder um es mit dem Informatiker Alan Kay zu sagen: Die Zukunft kann man am besten voraussagen, wenn man sie selbst gestaltet. Dafür bitte ich um euer Vertrauen.

Danke